Bericht zur Ersten Mannschaft

von Paul Krzesinski

Wir haben uns im Vorfeld dieses Auswärtsspiels in Erfurt dagegen entschieden den Rundenbeginn um eine Stunde, auf 11 Uhr, zu verschieben. Das bedeutete für uns Abfahrt um 7 Uhr und kam überraschender Weise für einige überraschend. Murat und Peter waren ganz offensichtlich müde und nutzten die Fahrt für ein ausgedehntes Nickerchen von Bad Homburg bis Erfurt Stadtmitte.

Im schönen Winterwunderland Erfurt war nicht nur unser Spiellokal im Keller, sonder auch die Temperaturen. Auf der Fahrt maß die Anzeige im Auto bis zu -11° Grad! Diese kalten Temperaturen brachten auch die Heizungsanlage an ihre Grenzen. An Wärme mangelte es uns bei den überaus gastfreundlichen Medizinern jedoch nicht. Wir wurden kostenfrei mit heißem Kaffee und Getränken sowie belegten Brötchen, Snacks und Schokolade versorgt.

Gut gestärkt begannen die Partien dann auch wie gewohnt. Nun ja, nicht ganz wie gewohnt. Aus den ersten Runden war man ein durchweg sehr solides Eröffnungsspiel gewohnt. Ausgerechnet Ralph brach nun mit dieser Gewohntheit. Er hatte den kreativen Plan im angenommenen Damengambit seinen Bauern auf c4 mit einem Springer auf a5 und Läufer e6 zu verteidigen. Natürlich blockierte der Läufer den e7 Bauern und hinderte den kompletten Königsflügel an der Entwicklung. Halbe Sachen gibts bei Ralph nicht - echtes Männerschach eben.

Murat machte am Brett immer noch den Eindruck im Halbschlaf auf den wiederholten Alarm seiner Uhr zu warten und versetzte diese immer nur alle 5 Minuten erneut in den Schlummerzustand. Das Geschehen auf dem Brett suggerierte jedoch, dass in dieser schläfrig wirkenden Hülle ein kreativer Geist innewohnt. Murat interpretierte den Jugoslawischen Angriff im offenen Sizilianer ganz neu indem er am Königsflügel Linien öffnete, im Zentrum die Bauern wegtauschte, den Damenflügel lockerte und dabei seinen König in der Mitte ließ und ihn hinter der Dame versteckte. Ein emanzipierter Typ eben.

Mit diesen geistigen Ergüssen konnten die übrigen Partien nicht mithalten. Peter Keller und Ingo spielten längere Theorievarianten im Sizilianer. Sven und Jerome ließen sich ein wenig einquetschen um dann zu zeigen wie geschickt sie sich da wieder rauswinden können. Bei Peter Ortinau sah alles ruhig aus bis Peter etwas Öl ins Feuer goss und hinterher ganz glücklich war, dass seine Gegnerin grade ihre Streichhölzer nicht dabei hatte, ihm wäre sonst ein Bauer abgebrannt.

Mein Gegner ließ mich zunächst im Unklaren über seine schachliche Kompetenz indem er meine Frage nach seiner DWZ lapidar mit einem "das weiß gar nicht genau" abwimmelte. So einfach ließ ich mich aber nicht abwimmeln und durchforstete akribisch die hiesigen Aushänge von Blitzturnieren und Vereinmeisterschaften. Bingo! In der letzten Vereinsmeisterschaft hatte er noch 1974 DWZ. Am Brett half mir das aber wenig, war ich nach 1.e4 Sc6 doch schon im zweiten Zug aus der Theorie. Mit einer harmlosen Fortsetzung schaffte ich es immerhin in einen mir bekannten Stellungstyp in dem ich ihn nachhaltig vor Probleme stellen konnte.

Derweil lavierte sich Ingo aus der Eröffnung ins Remis. Noch bevor Sven seine Lavierkünste auspacken konnte war seine Partie auch schon rum. Sein Gegner gab in etwas schlechterer Stellung einfach auf. Es konnte aber niemand so richtig erklären wie es dazu kam. An seinem Nachbarbrett erarbeitete sich Peter einen deutlichen positionellen Vorteil und versagte seinem Gegner zusätzlich jegliches Gegenspiel. Auch seine einzige Hoffnung auf Gegenspiel, sich mit einem Bauernopfer ein Zugangsfeld für seinen Springer zu verschaffen, erstickte Peter im Keim. Den Mehrbauern behielt er bis ins Endspiel und verwandelte ihn souverän.

Eher etwas chaotisch muteten Ralphs und Murats Partien an. Ralphs Eröffnungskonzept schien nicht ganz aufzugehen. Er konnte den c4 Bauner halten, wurde dafür aber mit einem Zentralbauernpaar konfrontiert. Seine späten Bemühungen den Königsflügel zu entwickeln waren nicht mehr ganz so einfach durchzusetzen und resultierten in einer Ruine, im wahrsten Sinne des Wortes - die Steine lagen zertrümmert überall rum. Wir sind uns aber sicher, dass er uns im nächsten Spiel eine uneinnehmbare Festung zeigt.

Murat war der Herrscher über das Chaos. Nachdem ich kurz schaute verzichtete ich daruf mich in seine Stellung zu vertiefen. Er hatte bis zuletzt nicht rochiert, die h-Linie geöffnet und einen Springer und Läufer am gegenerischen Damenflügel auf b6 und b5 platziert während sein Gegner die Halboffene c-Linie besetzte und schon seit Beginn mit dem fianchettierten Läufer auf g7 den Bauern auf b2 bedrohte. Ganz nebenbei platzierte er noch eine Dame auf f3. Es schien als würden beide Spieler alles angreifen was nicht Niet und Nagelfest ist. Murat hatte aber offensichtlich den besseren Hammer und nagelte mehr Material fest als sein Gegner ohne dabei Matt gesetzt zu werden. Mit seinem Sieg waren wir schon fast durch.

Als nächster einigte sich Jerome auf ein Remis. Er hatte am Ende zwar einen Bauern mehr, die Bauern waren jedoch so verkeilt, dass er mit dem König nirgends einbrechen konnte. Es stand somit 4:2 und zwei Partien liefen noch.

Peter Ortinau baute seine Führung weiter aus. Seiner Gegnerin ging ohne das fehlende Streichholz leider kein Licht auf, während Peters Radar einwandfrei funktionierte und einen Bauern Ortete. Peter sackte diesen ein und kontrollierte anschließend das Zentrum vollständig und manövrierte seine Gegnerin in den nächsten Bauernverlust bevor er die Damen tauschte und das Endspiel kinderleicht gewann.

In meiner Partie hatte ich lange Zeit keine Probleme. In einer Struktur aus der modernen Verteidigung tauschten wir irgendwann die Damen sowie d gegen e-Bauern. Ich konnte meine Bauern am Königsflügel vorschieben und dort Linien öffnen. Leider übersah ich bei der Variantenbrechenung ein Detail was mich prompt einen Bauern kostete. Glücklicherweise hatte ich durch die vielen offenen Linien genug Kompensation um die Partie zu halten.

Wir erlebten damit hautnah ein historisches Ereignis, den ersten Sieg einer FTV Schachmannschaft in der Oberliga!

SV Medizin Erfurt 2½-5½ SAbt. FTV 1860

1 Wehner,Janis 0 : 1 Keller,Peter 1
2 Hausknecht,Matthias 0 : 1 Telljohan,Sven 2
4 Nguyen,Huy Dat ½ : ½ Rutkowski,Ingo 4
5 Kirschbaum,Gunnar 1 : 0 Neininger,Ralph,Prof. 5
6 Reichel,Norbert 0 : 1 Diyap,Murat 6
7 Mueller-Ludwig,Kristin ½ : ½ du Maire,Jerome 7
10 Jakob,Matthias ½ : ½ Krzesinski,Paul 8

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