Wir schreiben den zweiten Juli, elf Kinder und zwei größere Kinder brechen nach Lyon auf im Rahmen eines Stadtsportaustausches. Alles beginnt gut, ich gewinne aufgrund der Wahl des Steins bei Schere-Stein-Papier mit Leichtigkeit den Betreuerfensterplatz. Die Logik dahinter: Die Frau als Wesen des Haushalts nimmt immer die Schere. Aber egal, um meine Tipps für Kinderspiele geht es hier nicht, sondern um die Kinder, denn die sollen ja Spaß haben. Das beginnt schon im Bus, denn Saskia hat für die Kinder nachts im Museum mitgebracht. Die im Bus hin- und herlaufenden Fußballer blockieren das Bild, woraufhin ich sie wiederholt in ihre Schranken weisen muss. Wahrscheinlich waren das die größten Momente meiner Autorität, aber besser als nichts. Ich bin ja so oder so eher der volksnahe Herrscher, will sagen Betreuer. Ansonsten verläuft die Anreise gut und so kommt die Truppe entspannt an. Auf dem Bild sieht man, dass alle die Fahrt überlebt haben und manche sogar noch auf dem Bild lächeln können.

Der uns gebotene Empfang war ein besonders herzlicher. Es wurde gegrillt, auch wenn es da wohl massive kulturelle Unterschiede gibt. Wo mir persönlich ein vielfältiger Fleischberg vorschwebt, gab es hier nur Würstchen. Dazu das Klischeebaguette, Knabberzeug und Wein im Tetrapak, natürlich nur für Betreuer und Gastväter, später noch regionalen Käse. Und Frommage ist ja nun auch dem Klischee recht nahe. Erste Konversation fand hier auch schon statt, es gab leider auf beiden Seiten noch leichte Begegnungsangst und es bedurfte einer strengen Betreuerhand, die die Gruppen aufsprengte und aus der Begegnung einen Austausch machte. Dann war auch schon Anpfiff, gemeinsame schauten wir Deutschland-Italien. Hier gab es die erste schöne Verbrüderungsgeste, für die natürlich ich verantwortlich zeichnete. Beim Singen der deutschen Hymne, wo übrigens die Kinder mich arg haben hängen lassen, obwohl sogar die Franzosen mitsummten, wurden die deutsche und die französische Fahne geschwenkt.

Nachdem wir also nun mit Leichtigkeit und dank Jonas Hector, der beim besten deutschen Fußballverein seine Brötchen verdient, weitergekommen sind, war es an der Zeit, in die Gastfamilien zu gehen.

Am nächsten Mittag ging es in den Park de la Tête d’Or. Das muss man sich vorstellen, als würde man in eine Art Stadtwald mit kleinem Vergnügungspark, Zoo, unendlichen Grünflächen und einem kleinen See. So liefen wir also durch die Gegend, sahen Krokodile und picknickten, wobei sich da eines der französischen Kinder verletzte. Fangen spielen ist halt erst etwas für Leute, die das mit dem Laufen schon etwas geübt haben. Nachdem Sylvie, einer der französischen Betreuer, den Verletzten als Schauspieler enttarnt hatte, der eigentlich in bester Verfassung war, wurde unser Besuch des Parks fortgesetzt. Später hat Diba ihr Handy verloren, dieses konnten wir aber zum Glück wiederbeschaffen. Doch vorher war erst einmal Zeit für mich, eines meiner fotografischen Meisterwerke zu schaffen. Das hätte besser funktioniert, wenn die jungen Damen die Kunst der geraden Reihe besser beherrscht hätten, aber so hat es eine individuelle Note. Zumindest haben wir eine Teambuilding Activity betrieben.

Damit endete der Tag für die Kinder auch, nachdem wir im Park knapp zwanzig Kilometer gelaufen sind. Das lag unter anderem an Sylvies hohem Anspruch an die Truppe. Jederzeit war sie bemüht, uns zu Hochleistungen anzuspornen, auch wenn unsere Körper das schon lange nicht mehr hergaben. Ich selbst gönnte mir nach dem sehr ausgedehnten Erkunden des Parks noch kurz ein Wiedersehen mit einem Native, den ich aus vergangenen Zeiten kenne, aber das ist ja hier nicht von Belang.

Am Folgemorgen hieß es auf zum Lasertag! Hier erfuhr ich auch, warum Otto und Marc am Vortag nicht da waren: Ihr Gastvater ist mit ihnen spontan Paintball spielen gefahren. Im Vorfeld des Lasertag tönte ich noch groß herum, alle Kinder über den Haufen zu schießen, was pädagogisch wahrscheinlich nur begrenzt wertvoll war. Fenja verdient übrigens große Anerkennung, weil sie sich dem barbarischen Krieg spielen verweigerte. Während wir anderen also die Arena betraten, dämmerte es mir langsam: Ich war groß gewachsen, hatte einen sogenannten Wohlstandsbauch und Asthma. Das sind keine guten Voraussetzungen für einen Soldaten. Und Kindersoldaten sind zwar in der Realität unterlegen, aber was hilft mir das schon, wenn sie in Überzahl kommen und, wie beispielsweise Otto, mich aufgrund ihrer überlegenen Hinterhältigkeit, will sagen Taktik, mich über den Haufen zu schießen? Dementsprechend waren wir alle und ich im Besonderen nach dreißig Minuten schweißgebadet, hatten aber Spaß.

Damit der Bericht keine unzumutbare Länge erreicht und ich weiter lernen kann: Wir waren shoppen, das war für die eine Hälfte von uns schöner als für die andere. Dazu kommt, dass das Picknick an dem Tag mit ungefähr der vierfachen Zeit bemessen war wie die sonstigen. Sightseeing haben wir natürlich auch betrieben, so waren wir beispielsweise in der Altstadt. Dort haben wir uns unter anderem die Basilika und eine weitere Kirche angesehen.

Bei unserem Besuch im Schwimmbad, bei dem wir im Anschluss eine Sportolympiade mit den anderen Austauschschülern machten, offenbarte Otto übrigens sein Talent in Sachen Tarnung, sein Gesicht war quasi nicht zu erkennen, dabei hatte er nur eine Badekappe dabei. Wir haben darüber hinaus viel Spaß gehabt vor Ort, den Kindern hat die Olympiade gefallen und leider auch das Überschütten eines unschuldigen Roberts mit Wasser. Dadurch wurde für mich das Lernen für das Studium natürlich erschwerte. Im Siegerteam der Olympiade war übrigens Alice, auch wenn das eigentlich beste Team natürlich meines war. Die Niederlage erklären Experten vor allem über die ungerechte Bewertung und den mangelnden Teamgeist Einzelner. Dafür galt unser Motto „An erster Stelle steht der Spaß. An zweiter Stelle steht, dass wir an erster Stelle stehen!“ unter Kennern als das Beste.

Abschließend möchte ich als die beiden Highlights erstens den Empfang im Rathaus benennen, bei dem uns viele spannende Redner viele spannende Reden gehalten haben. Leider nein, leider war nur die Rede des deutschen Generalkonsuls Klaus Ranner. Dieser war auch als Einziger in der Lage, seine Rede deutsch, englisch und französisch zu halten. Darüber hinaus war er auch der Einzige, der es im Anzug ausgehalten hat in der Hitze. Das andere Highlight war das gemeinsame Sehen des Fußballspiels Deutschland-Frankreich. Bis auf Sarah waren sich alle einig, dass man nur von Schiebung sprechen konnte. Im Vorfeld haben die Franzosen unsere Hymne mitgesummt und manche von uns ihre gesummt, beziehungsweise sogar gesungen. Diba hat vor Ort außerdem ihren Geburtstag gefeiert und dementsprechend von Sylvie einen Kuchen und verschiedenste Geschenke bekommen.

Natürlich gab es auch ein schachliches Highlight, nämlich ein kleines Turnier. Hier haben wir die Sieger, dazu mich, in die Fahne meines Landes gehüllt. Abschließend im Namen der Kinder und mir danke an Hendrik für die tolle Organisation im Vorfeld, dazu an Lionel Budaci, bei dem ich schlafen durfte und der das Programm plante und auch, wenn er nicht anwesend sein konnte, eine tolle Zeit ermöglichte, an Sylvie Leroy, die sich immer mit vollem Einsatz drum gekümmert hat, dass es allen gut geht, an Jean-Louis, der mir in den wenigen Tagen sehr ans Herz gewachsen ist und mit dem wir uns alle, auch wenn er kein deutsch spricht, verstanden haben, als würden wir uns schon ewig kennen und der eine exzellente Aufgabe verrichtet hat, egal, ob er uns durch die Stadt navigierte oder beim Grillen half. Sogar, als Frankreich gewonnen hat, war er auf unserer Seite!

In dem Sinne bleibt mir nur noch eines zu sagen:

Ce n’est qu’un au revoir, Lyon!

Robert Fedler, Betreuer

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