Hessenliga

SC Fulda - FTV 1860 II 4,5:3,5

von Peter Ortinau

Die Wichtigkeit des Spiels in Fulda war quasi mit Händen zu greifen. „Da müssen wir unbedingt was holen, um nicht im Abstiegskampf zu landen“ habe ich gleich mehrfach im Vorfeld gehört. Leider mussten wir bei diesem wichtigen Spiel mit Michael und Ludger gleich auf zwei Spieler verzichten. Grover und ich rückten dafür nach. Schon die Abfahrt bot eine kleine Geschichte. Auto 1 mit Sven als Fahrer startete um 12:10 Uhr an der Galluswarte und war bereits unterwegs, als Auto 2 von Jérôme am 12:30 Uhr vom Verein aus starten wollte. Nicht am Treffpunkt war Ingo, den wir auch die Tage zuvor nicht erreichen konnten. Da Ingo extrem zuverlässig ist und wir nicht mit einer Verspätung rechneten und wir zudem einen sehr knappen Fahrplan hatten, starteten wir pünktlich ohne Ingo. Wir waren noch nicht allzu weit gekommen – genau genommen bis zum Pizzahut – da rief Adlerauge Grover von der Rückbank: „Da läuft der Ingo!“ Mitten auf der Straße Bremse reingehauen, Scheibe runter, „IIIIIIINGOOOOOO!!!“. Ein sichtlich verblüffter Ingo stieg zu. Noch mehrmals stellte er unterwegs die Frage: „Und ihr wärt echt ohne mich gefahren???“

Vor Ort musste auch Fulda auf zwei Spieler verzichten und ich machte mir angesichts der DWZ-Zahlen schon Hoffnung, dass da Punkte für uns drin sein müssten. Gerardo hatte am fünften Brett eine aussichtsreiche Stellung mit Raumvorteil auf dem Brett, aber einen sehr hohen Zeitverbrauch. Was bei ihm schief gelaufen ist, kann ich wirklich nicht sagen, denn bei meinem nächsten Rundgang war sein Brett schon weggeräumt und Gerardo auf dem Weg zur Bahn: 0:1.

Dafür kann ich ziemlich genau sagen, was bei mir schief lief: Ich war in Kampfeslaune und hatte eine extrem taktische Stellung bei heterogenen Rochaden aufs Brett gebracht. Mein Gegner lud mich zu einem taktischen Scharmützel ein, bei dem ich nach langem Nachdenken zum Schluss kam: „Das funktioniert nicht für ihn!“ und einstieg. Ich geb’s ja zu, ich habe mich geirrt! 0:2.

Ingos Partie war etwas wellig, sage ich mal. Er bot recht früh ein Remis an, was der Gegner aber ablehnte. Kurz darauf war Ingo sichtlich zufrieden mit der weiteren Entwicklung und meinte, jetzt würde er vermutlich auch kein Remis mehr nehmen. Doch der Gegner schaffte es, die aktiven Figuren abzutauschen und gelangte in ein Damenendspiel mit entferntem Freibauern. Diesen brachte er mit viel Mühe bei Dauerschachgefahr dann leider auch ins Ziel: 0:3.

Die nächste Partie, die knapp zu unseren Ungunsten endete, war die von Murat. Er hatte im Leichtfigurenendspiel einen Mehrbauern, konnte diesen mit Läufer und Springer gegen das Läuferpaar aber nicht in einen vollen Punkt ummünzen: 0,5:3,5.

Generell waren wir die deutlich jüngere Mannschaft. Besonders eindrucksvoll zeigte sich das bei Bennet, der gegen seinen 86jährigen Gegner versuchte, den vollen Punkt einzufahren. Aber vermutlich verließ diese Partie nie die Remisbreite und am Ende ging die Punkteteilung im Damenendspiel in Ordnung: 1:4.

Bennet - Vitaliy Ugolyk

Jérômes Zeitverbrauch kostete mich doch ein paar Nerven. Nach etwa 15 Zügen hatte er noch knapp 30 Restminuten übrig und auf dem Brett befand sich noch eine Theoriestellung! Also zumindest für den Gegner. Aber vielleicht hat Jérôme ja auch die entstehenden Strukturen analysiert, denn im Mittelspiel übernahm er das Kommando, bildete einen entfernten Freibauern und brachte dem Gegner einen toten Läufer bei. Der hatte echt kein einziges Feld mehr! Am Ende sammelte er einen Punkt für sein genaues Spiel ein: 2:4.

Svens Partie konnte ich nicht wirklich einschätzen. Er hatte einen Bauern und die aktivere Stellung für die Qualität, aber etwas konkretes sah ich nicht. Auf Kosten eines zweiten Bauern wickelte der Gegner in ein Endspiel ab, das aber völlig verloren war. Das habe dann sogar ich erkannt! 3:4.

Nach dieser Aufholjagd lag es nun an Grover. Er hatte zwei Bauern mehr, aber im Damenendspiel mit wenig Schutz für den König muss das nicht so viel heißen. Beide Spieler lebten irgendwann nur noch von den 30 Sekunden pro Zug und Grover machte deutliche Fortschritte. Schließlich hatte er seinen a-Bauern bis auf die Dritte Reihe vorgebracht und konnte zweizügig den Damentausch mit direktem Gewinn erzwingen. Und wie es in solchen Momenten ist: Ich bin sicher, der ganze Raum sah sofort die gewinnenden zwei Schachgebote. Nur Grover nach über 100 Zügen nicht! Grover stellte den gegnerischen König stattdessen auf Patt, was dem Gegner das Motiv der „verrückten Dame“ ermöglichte und tatsächlich zu einem Remis reichte. Extrem unglücklich hieß es für uns am Ende eines sehr langen Tages 3,5:4,5.

Gegen 22 Uhr konnte man sich dann zu Hause die Tabelle anschauen: Mit vier Punkten sind wir 7. Und bei schwerem Restprogramm mitten im Abstiegskampf. Nächster Gegner ist Tabellenführer Bad Homburg.

Spruch des Tages:

Ich nach meiner Niederlage: "Jérôme, gib mir bitte den Autoschlüssel, ich will nach Hause."

Jérômes Antwort: "Geht nicht. Ich habe deine Partie gesehen. Du bist nicht zurechnungsfähig!"

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